Freifunk: 4 Jahre freies WLAN

Das freie WLAN in Mellnau ist nun bereits seit über vier Jahren im Dienst. Die Idee, ein offenes Bürgernetz zu errichten, ist mittlerweile auch in Oberrosphe, Unterrosphe, Amönau und der Kernstadt angekommen. Und ein neuer Aspekt gewinnt zunehmend an Bedeutung.

Zahlen, Daten, Fakten

Bei der öffentlichen WLAN Versorgung unterscheidet man zwischen Accesspoints und Hintergrundsystemen. Die Accesspoints sind bei uns zumeist die weißen, ufo-ähnlichen kleinen Plastikschüsseln, die an einigen Fassaden in Mellnau zu sehen sind. Über sie bekommen Smartphones, Tablets und PCs das Freifunk WLAN. Die Hintergrundsysteme dienen dazu, Internetkapazität von einem Punkt zum anderen zu bringen – zum Beispiel per Richtfunk von der Grundschule hoch auf die Burg.

Im ganzen Stadtgebiet sind derzeit 89 Accesspoints und 78 Hintergrundsysteme für Freifunk aktiv. Rund 80 dieser Systeme sind in Mellnau, 34 in der Kernstadt, 26 in Unterrosphe, 16 in Oberrosphe und 11 in Amönau. Insgesamt wird derzeit bereits an 54 Lokationen Freifunk bereitgestellt. Tendenz: weiter stark steigend.

Finanziert wird der Netzausbau und der Unterhalt aus Spenden, Fördermitteln und einem festen städtischen Sockelbetrag in Höhe von jährlich 20€ pro Netzknoten. Der Freifunk Nordhessen e.V. sorgt mit redundanten Serversystemen und ehrenamtlichen Technikern dafür, dass die Accesspoints und Hintergrundsysteme softwaremäßig auf der Höhe der Zeit bleiben und der Datenverkehr zuverlässig abgewickelt wird. Wer sich ans Freifunknetz anschließen will, zahlt lediglich die laufenden Stromkosten und sorgt für die einmalige Gerätemontage, die Accesspoints selbst werden gestellt. Dieser Ansatz ist im Landkreis absolut innovativ und führend. Für das kommende Jahr plant die Stadt mit einem Budget von 7.500 Euro für Freifunk.

Der Freifunk Verein, der den Ausbau technisch ermöglicht, versorgt in seinem gesamten Einzugsgebiet derzeit ca. 550 Accesspoints und ca. 400 Hintergrundsysteme. Rein rechnerisch sind etwa 1.000 Endgeräte rund um die Uhr gleichzeitig im Netz des Vereins, in Stoßzeiten auch schon mal knapp 1.400. Der Verein ist von Kassel bis Wetter aktiv. Neben dem Bürgernetz-Ausbau in den nordhessischen Städten und Gemeinden ist er auch bei der digitalen Versorgung von Flüchtlingsunterkünften tätig. Mit Jörg Balzer (Finanzvorstand) und Andreas W. Ditze (Beisitzer) kommen zwei der neun Vorstandsmitglieder aus Mellnau. Der Verein selbst hat seinen Sitz in Bad Arolsen, er ist als gemeinnützig anerkannt.

Digitale Resillienz statt einfach nur WLAN

Als wir in Mellnau mit Freifunk begannen, standen ganz praktische Überlegungen im Raum: wie bekommen wir WLAN auf die Burg und ins DGH, ohne das wir überall einen teuren Telefon- und Internetanschluss mieten müssen. Gesagt, getan – das Problem wurde gelöst.

Ganz nebenbei ergab sich jedoch ein weiterer Aspekt, der mittlerweile enorm an Bedeutung gewinnt: das Mesh Netzwerk. Wenn zwei Freifunkgeräte miteinander Kontakt aufnehmen können, verbinden sie sich ganz automatisch. Solange eines der Geräte noch Kontakt zum Internet hat, bleibt das andere Gerät ebenfalls online. Ganz konkret: fällt der DSL-Hauptverteiler der Deutschen Telekom aus, sind weite Teile des Dorfes offline. Hat man jedoch jemanden im Nesh Netzwerk, der einen Glasfaseranschluss hat, wie z.B. unsere Grundschule, bleiben alle Teilnehmer des Netzwerks online.

Von besonderer Bedeutung für das Mesh Netzwerk ist die Burg. Dort ist mittlerweile eine ganze Menge Technik verbaut, die den Freifunk nicht nur im Ort verteilt. Besser noch: von dort aus gibt es auch bereits Richtfunkverbindungen nach Oberrosphe, Unterrosphe und in die Kernstadt. Der Vorteil: falls die – lediglich eingeackerte – Glasfaserleitung von Wetter nach Mellnau einmal beschädigt werden sollte, ist Mellnau auf einen Schlag offline. Je nachdem, wo der Schaden eintritt, könnten sogar die Handymasten ausfallen. Durch das stadtteilübergreifende Mesh Netzwerk würden in solch einem Fall jede Menge Megabits aus den noch versorgten Stadtteilen zur Burg „eingeflogen“ werden, zumindest solange wir Strom haben. Den bekommen wir aus zwei Richtungen – und die Reparatur eines Stromkabels ist zum Glück auch noch etwas leichter als das Spleißen einer Glasfaser Muffe.

Wie gehts weiter in der Region?

In Sachen Katastrophenvorsorge bemüht sich der Freifunk Verein, dass die derzeitige WDSL Internet-Richtfunkanbindung der Stadtwerke Marburg nach Mellnau erhalten bleiben kann. Die Stadtwerke wollen diese Infrastruktur eigentlich abbauen, weil sie nicht mehr genug Kunden dafür haben. Da Deutschland aber seit Februar 2022 langsam aber sicher lernt, dass man vorsorgende Infrastruktur nicht ausschließlich auf den Kostenaspekt reduzieren sollte, besteht durchaus die Hoffnung, dass wir diese Rückfall-Datenleitung erhalten können.

Innerorts wäre es hilfreich, insbesondere rund um das DGH und die Bushaltestelle im Unterdorf noch weitere Unterstützer in Sachen Freifunk zu finden. Interessenten können sich direkt per Mail an freifunk@mellnau.de wenden oder die beiden örtlichen Vorstandsmitglieder ansprechen.

Erwartbar ist außerdem, dass mit dem weiteren Netzausbau in Amönau die dortigen „Aktivisten“ eine Verbindung zur Burg Mellnau suchen werden. Die Technik ist im Prinzip vorhanden, es fehlt nur noch ein guter Standort in Amönau und ein paar Stunden Arbeit im Ehrenamt.

Die Freifunk Community im Nordkreis

Das heute bereits fünf Stadtteile von Freifunk profitieren, geht auf den Einsatz einiger Menschen zurück, die das Thema mit viel Engagement angeschoben haben. In Mellnau war es unser Chefelektriker Jürgen Krieg, der als einer der ersten dafür sorgte, dass an jeder möglichen und unmöglichen Ecke genügend Strom vorhanden ist, um überhaupt „funken“ zu können. Der Ortsbeirat organisierte die ersten Fördermittel und die Mellnauer Vereinsgemeinschaft zog sich für das Thema den Hut auf – unser Universal-Kassierer Jörg Balzer hat einen gewichten Anteil daran, dass es bei dem Thema voran ging. Der Landkreis Marburg-Biedenkopf, genauer gesagt der Fachdienst Infrastrukturelles Gebäudemanagement vertreten durch Gerd Nienhaus, hat viel Energie darauf verwandt, das Thema Freifunk in und an die Schulgebäude zu bringen. Der HVV und seine Mitglieder vergruben Kabel rund um die Burg und die Kinder und Jugendlichen der Smart Kids AG zogen mehrere hundert Meter LAN-Kabel quer durch den Wald, damit am langen Ende auch Internet am Sportplatz ankommen konnte.

Für die Idee der Stadtteilvernetzung zeichnete Jan-Phillip „JP“ Schröder aus Unterrosphe mit verantwortlich. Sein Engagement rund um Richtfunkantennen in diversen Kirchtürmen und an Vereinsheimen führte oftmals zu Arbeitseinsätzen, die um den Gefrierpunkt herum umgesetzt wurden. Der Vorstand hofft, dass es auch einmal möglich sein wird, weitere Arbeiten dieser Art in den Sommermonaten umsetzen zu dürfen.

Zwei wichtige Unterstützer aus der frühen Freifunk Zeit sind in diesem Jahr leider verstorben, doch ihr Engagement wirkt nach. In Mellnau ist hier Friedemann Wehn zu nennen, der sich wie selbstverständlich als erster bereit erklärt hatte, von seinem Gebäude aus das Wattenscheider Ferienlager und den dahinterliegenden Sportplatz mit Internet zu versorgen. Und aus Unterrosphe war es Werner Müller, der mit seiner Vision von der „Stiftung Liebeswertes Rosphetal“ bereits seit dem Jahr 2020 ganz erheblich zur finanziellen Förderung des Freifunks beigetragen hat.

Seit diesem Jahr ist die Freifunk Community erheblich angewachsen. Mehrere Vereine, Institutionen und zahlreiche Privatleute sind auf den Zug aufgesprungen und tragen dazu bei, das Freifunk WLAN in ganz Wetter zu verbreiten – sie alle hier zu nennen, würde den Rahmen des Kuckucks sprengen. Das wir überhaupt an diesem Punkt angekommen sind, geht auf uns in Mellnau zurück. Allen Aktivposten, Unterstützern und Förderern dieser verbindenden und im besten Sinne gemeinnützigen Idee sei an dieser Stelle ganz herzlich gedankt.

Der Freifunk Nordhessen e.V. freut sich auch weiterhin über aktive und passive Unterstützung, sei es über eine Mitgliedschaft oder als Betreiber eines WLAN Accesspoints an der eigenen Fassade. Und wer „Spaß am Gerät“ hat oder ganz allgemein seine Kenntnisse rund um die Informationstechnik vertiefen will, ist gerne gesehen beim beim Aufbau und Betrieb des immer größer werdenden Mesh Netzwerks. Der Freifunk in Mellnau ist erreichbar unter freifunk@mellnau.de oder über die Vereinshomepage www.freifunk-nordhessen.de.

Freifunk Accesspoint an der Burg
Das Mesh Netzwerk in der Übersicht, Amönau ist zur Zeit noch ohne Anbindung nach Mellnau

Text & Bild: Andreas W. Ditze

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