Vergessene Orte (1.Teil)

Es gibt sie überall, Orte und Plätze, die ihre ehemalige Funktion beraubt oder die im Laufe der Zeit schlicht in Vergessenheit geraten sind. Eine immer größer werdende Internetgemeinde befasst sich schon länger mit dem Verfall von Plätzen und Bauwerken und deren Geschichte. Objekte, die dem Zerfall ausgesetzt sind, werden dort Lost Places (verlorene Orte) genannt.

Auch in und um Mellnau finden sich eine Vielzahl solcher Orte, mit denen wir uns ein einer neuen Rubrik in dieser und kommenden Ausgaben beschäftigen möchten. Einige dieser vergessenen Zeitzeugen haben wir auf unserer Karte zusammengetragen – hinter jeder stecken faszinierende Geschichten.

Wie schon so oft vorher haben Lisbeth und Hermann Hahn bei unserer Recherche Rede und Antwort gestanden und von ihren Erinnerungen berichtet. Hermanns früherer Bürgermeisterkollege, Heinrich Krieg aus Simtshausen und Christa Diehl aus Amönau haben die Informationen vervollständigt. Ohne diese Unterstützung sind Artikel wie dieser kaum möglich. Wir werden daher nicht müde, auch andere anzuhalten, es ihnen gleichzutun. Wer kennt weitere „Lost Places“ und möchte unsere Karte und Artikel vervollständigen? Wir freuen uns über eure Vorschläge unter info@mellnauerkuckuck.de.

Los geht es mit zwei Beiträgen über Orte, die eigentlich der Simtshäuser Gemarkung zuzuordnen sind. Doch viele Mellnauer Erinnerungen hängen an diesen geschichtsträchtigen Orten.

Alter Sandbruch (Douwebach)

Am Parkplatz der K1 Richtung Simtshausen schlängelt sich ein Weg in den Wald und öffnet sich in einer kleinen künstlich entstandenen Talmulde. Seit Jahrzenten dient der geschützte Platz immer wieder als Grillstelle für die Jugend der nahgelegenen Dörfer. Vielen Mellnauern wird das alljährliche „Pfingstcamping“ noch gut in Erinnerung sein. Schon die dritte Generation trifft sich dort auch heute noch zum geselligen Austausch.

Pfingstcamp 1983

Nur wenige wissen, dass der Platz bis Ende der 40er Jahre als Sandbruch diente. Der damalige Besitzer, Hermann Groß, stammte aus Oberasphe. Gegenüber dem Bahnhof von Simtshausen hatte er einen Baustoffhandel – unter der Woche schlief er auch dort. Er betrieb außerdem eine Ziegelei und im Sandbruch gewann er den Grundstoff für die Zementziegel die er herstellte. Das Gelände hatte er vom Forst für 99 Jahre  gepachtet – pro verkauften Kubikmeter Sand musste er einen Obulus an die Forstverwaltung entrichten.

Kurz hinter dem Parkplatz findet man noch die betonierten Grundmauern der ehemaligen Schütte. Christa Diehl geb. Groß , die Tochter von Hermann Groß, hat öfter das Mittagessen zur Sandgrube gebracht. Sie erinnert sich: „In Loren, die auf Schienen führen, wurde der abgebaute Sand zu einem Förderband gebracht und von dort durch ein Sieb in die Schütte befördert aus die Fahrzeuge beladen wurden. Zu Hochzeiten hatte Herr Groß bis zu acht Mitarbeiter beschäftigt.“

Mitte der 50er Jahre verlor Hermann Groß sein Augenlicht und musste die Arbeit am Sandbruch einstellen. In 1957 verstarb er.

Die Mellnauer selbst hatten ihre eigenen Sandplätze. Sie holten ihren Bausand am Sportplatz in der „Schindkaute“. Bevor das Gelände in den 30er Jahren zum Sportplatz umgebaut wurde, diente es als Tierfriedhof. Dazu mehr in einer folgenden Ausgabe.

Aber auch am Bochtenberg, am heutigen Holzplatz der Familie Becker, war ein Sandbruch. Er wurde vom Heinrich Schmidt, besser bekannt als „Wennels Vetter“ betrieben. An seinem Sandhang sollen seinerzeit auch Uferschwalben genistet haben.

Rosengarten (Herrensaustall)

Bereits zu Beginn der 20er Jahre entstand in der Simtshäuser Gemarkung „Herrensaustall“ eine Schutzhütte als Ausflugsziel für Naturfreunde. Das beschauliche Plätzchen bot dem Wanderer unter dem Dach alter Eichen eine Zuflucht und lud zum Verweilen ein.

Der Grillplatz am Rosengarten

Das Forstamt Wetter errichtete dort außerdem einen Schießstand. Beim Übungsschießen wurden die Zufahrtswege, wie auch der Waldweg oberhalb des Geländes aus Sicherheitsgründen gesperrt. Das Gelände wurde zeitweise sogar für militärische Schießübungen genutzt.

Anfang der 50er Jahre übernahm der kürzlich verstorbene Hans Bertram das das Revier und begann das Waldstück als Grillplatz auszubauen.

Der Grillplatz diente fortan vielen Gruppierungen als Austragungsort unterschiedlicher Festlichkeiten. Neben dem Mellnauer Gesang- und Sportverein nutzen auch viele Privatpersonen das Gelände für ihre Feierlichkeiten. Unvergessen die Feier des TSV zum Aufstieg in die A-Klasse im Sommer 1977.

Als Förster Koch das Revier übernahm wurde der Schießstand am Rosengarten aus Sicherheitsgründen in das Waldstück zwischen Heldmanns/Diehls Garten und dem Mellnauer Tretbecken verlegt.

Etwa auch zu dieser Zeit ereignete sich ein Zwischenfall bei dem sich ein Jugendlicher aus Simtshausen durch ein herabfallendes Brett an der Schutzhütte verletzte. Der daraus resultierende Versicherungsfall sowie eine neue Gesetzeslage bezüglich Brandgefahr und Wildruhe, veranlassten den Forst, das Gelände zu schließen.

Zum Verdruss vieler Mellnauer und Simsthäuser wurde der Grillplatz Anfang der 80er Jahre dem Erdboden gleichgemacht. Auch ein Antrag, von Simsthausens Ortsvorsteher Heinrich Krieg, das Gelände unter städtischer Obhut weiterzuführen scheiterte im Kreistag.

Was bleibt sind die Erinnerungen an eine schöne Zeit…

Auch ein ortsbekannter Skatclub traf sich dort über viele Jahre alljährlich mit seinen Familien.

(v.r.n.l. Manfred Schusser, Heinz Schumacher, Katja Paulmann geb. Völk, Judith Briel geb. Lind, Gerhard Völk, Stefan Lind, Konrad Götzfried)
dav

Die Reste des alten Grills sind die letzten Überbleibsel des ehemaligen Erholungsgebiets. Heute gehört der Bereich zu einer so genannten Naturwaldzelle, einem Schutzgebiete, wo Wald sich aus sich selbst heraus entwickelt und der „Urwald von morgen“ entstehen soll.

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