Neues vom „Krötenzaun“

Bereits seit den 1980er-Jahren errichten die Aktiven der NABU-Ortsgruppe Wetter alljährlich gegen Ende des Winters den Amphibien-Schutzzaun an der K1 in Höhe des Ferienlagers. Für manche gilt dieses Bauwerk schon fast wie der Zug der Kraniche als Vorzeichen für kommende, mildere Tage: „Ah, der Krötenzaun steht wieder – dann wird’s wohl jetzt Frühling werden!“

Von den meisten vorbeirasenden Verkehrsteilnehmern allenfalls mit einem wohlwollenden Desinteresse wahrgenommen, gelegentlich auch von Vandalen zerstört, hat dieser unscheinbare Zaun in den letzten Jahrzehnten tatsächlich zehntausende Kröten, Frösche und Molche vor einem möglichen Tod durch Überfahren bewahrt. Ganz nebenbei haben die Naturschützer mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit zudem einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Verkehrssicherheit geleistet, denn besonders für Zweiradfahrer kann das Überfahren von Amphibien durchaus zu einer rutschigen Angelegenheit werden.

Problem!

Doch im Herbst letzten Jahres drohte das gewohnte Bild an der K1 in Gefahr und ein erneuter Aufbau des Zaunes zum Frühlingsbeginn in diesem Jahr nicht mehr möglich zu sein. Denn wie viele andere Vereine auch, leidet die NABU-Ortsgruppe unter einer gewissen Überalterung in den Reihen ihrer Aktiven und einem Mangel an engagiertem Nachwuchs. Vor allem die tägliche Kontrolle des Schutzzaunes, die über einen Zeitraum von etwa 6 Wochen erfolgt, musste in den letzten Jahren von immer weniger Vereinsmitgliedern gestemmt werden. Der Vereinsvorstand sah sich schließlich genötigt, die zuständige Naturschutzbehörde darüber zu informieren, dass man die Aufgabe nicht mehr bewältigen kann und eine andere Lösung für den Schutz der zu ihrem Laichgewässer wandernden Tiere gefunden werden muss.

Bei einer gemeinsamen Zusammenkunft von Vertretern der Stadt Wetter, der Gemeinde Münchhausen, der Naturschutzbehörde und der NABU-Ortsgruppe wurde das Problem erörtert und als praktikabelste Lösung die zeitweise Sperrung der Straße durch fest installierte Schranken vorgeschlagen.

Lösung?

Ähnlich wie seinerzeit an der K84 zwischen Wetter und Sterzhausen, die bis zum Neubau der Straße in 2016 ebenfalls alljährlich zur Zeit der Amphibienwanderung mittels Schranken gesperrt wurde, sollten die geplanten Schranken an der K1 den Kraftfahrzeugverkehr zwischen 18:00 Uhr am Abend und 6:00 Uhr morgens gänzlich unterbinden. Weder der Ortsbeirat von Simtshausen, noch der Mellnauer Ortsbeirat wurden zur vorgenannten Besprechung eingeladen, hatten aber anschließend die Möglichkeit, innerhalb einer eher knapp bemessenen Frist eine Stellungnahme zu der vorgeschlagenen Lösung abzugeben.

In einer Sondersitzung am 13.12.2021 positionierte sich der Mellnauer Ortsbeirat dahingehend, dass er aus mehreren nachvollziehbaren Gründen eine nächtliche Sperrung der Straße ablehnt und schlug stattdessen den Einbau einer dauerhaften Tunnel-Variante als Querungshilfe für die Tiere vor. Außerdem wurden alle beteiligten Akteure vom Ortsbeirat zu einem gemeinsamen Treffen an die K1 eingeladen, um sich ein Bild von den Gegebenheiten vor Ort zu machen und die bisher eingebrachten Lösungsvorschläge zu diskutieren.

Leider blieben zu der am 15.1.2022 anberaumten Ortsbesichtigung sowohl die eingeladenen Vertreter der Stadt, als auch die der Naturschutzbehörde fern. Letztere hatten allerdings zwischenzeitlich die vom Ortsbeirat vorgeschlagene Tunnel-Lösung mit Hinweis auf die unverhältnismäßig hohen Kosten abgelehnt. Auch der in die allgemeine Lösungssuche eingebrachte Vorschlag, mit dem Anlegen von Ersatzgewässern die Wanderbewegung der Amphibien von der Straße weg „umzuleiten“, wurde bei dem Ortstermin vom Ortsbeirat und den anwesenden Naturschützern schnell als wenig erfolgversprechend verworfen.

Problemlösung!

Schließlich wurde die Gründung einer „Freiwilligentruppe“ diskutiert, welche die Aufgabe, den Amphibienzaun aufzubauen und zu betreuen, künftig anstelle der NABU-Gruppe eigenständig bewerkstelligen sollte. Dies wäre sicher die einfachste und naheliegendste Lösung, aber würden sich genügend freiwillige Helferinnen und Helfer für ein solches „Projekt“ finden lassen und diese auch auf Dauer und zuverlässig „bei der Stange bleiben“? Oder sollte für den Schutz der Tiere eine Sperrung der Straße unumgänglich sein? Ohne einen Versuch konnten sich diese Fragen nicht beantworten lassen, so dass Ideen für die konkrete Umsetzung des Vorhabens gesammelt wurden. Die Verantwortlichen der NABU-Ortsgruppe sagten glücklicherweise ihre Unterstützung zu und boten an, den diesjährigen Zaunaufbau nochmals organisieren und gemeinsam mit den bis dahin gefundenen Helferinnen und Helfern als „Anleiter“ durchführen zu wollen. Auch die täglichen Kontrollgänge sollten dann in diesem Jahr jeweils gemeinsam mit Naturschützern und Freiwilligen erfolgen, so dass die Helfergruppe nach und nach in die einzelnen Aufgaben eingearbeitet werden könnte. Als Koordinator für das „Projekt“ stellte sich der Autor zu Verfügung.

Im Wetteraner Boten und über den Mellnau-Newsletter verbreitete der Ortsbeirat dann im Januar und Februar Aufrufe zur Mithilfe bei der Zaunbetreuung und nach und nach wuchs die Liste der Freiwilligen, die sich daraufhin beim Koordinator meldeten. Erstaunlicherweise fanden sich bei den Freiwilligen nicht nur Mellnauer*innen, sondern auch Bewohner*innen aus Oberrosphe und Wetter, die nicht unbedingt von einer möglichen Straßensperrung tangiert wären, sondern einfach dieses sinnvolle Naturschutzprojekt unterstützen wollten.

Umsetzung

Zum Aufbau des Amphibienzauns am Morgen des 26.2.2022 fanden sich, neben den Mitgliedern der NABU-Ortsgruppe, schließlich 14 freiwillige Helfer*innen an der K1 ein! So bot sich entlang der Straße ein eindrucksvolles buntes Bild von mehr als 20 jungen und junggebliebenen Menschen, die gemeinsam an der Errichtung des Zaunes arbeiteten. Die im Aufbau erfahrenen Naturschützer*innen erläuterten dabei den hochmotivierten freiwilligen „Nachwuchskräften“ alle notwendigen Arbeitsschritte, zeigten Tricks und Kniffe und beschrieben die Schwierigkeiten, die es bei der fachgerechten Errichtung des Schutzzaunes zu beachten gilt. Der etwa 320 Meter lange Zaun wurde in neuer Rekordzeit errichtet und bei der abschließenden „Bauabnahme“ als ausgesprochen gelungen bewertet.  

Doch alleine mit dem Aufbau des Zaunes ist es natürlich nicht getan. Die am Zaun entlang platzierten Fangeimer, in denen sich die im Schutz der Dunkelheit wandernden Amphibien sammeln, müssen zuverlässig jeden Morgen kontrolliert werden. Spätestens bis etwa 8:30 Uhr sollten die in den Eimern gefangenen Kröten, Frösche und Molche eingesammelt und zu ihrem Laichgewässer, den jenseits der Straße liegenden Mellnauer Fischteichen gebracht werden. Bei einer späteren Leerung laufen die empfindlichen Tiere ansonsten Gefahr, in den Eimern durch die höhersteigende Sonne geschädigt oder für Krähen ein gefundenes Fressen zu werden.

Zur zeitlichen Abstimmung der Kontrollgänge wurde in einer großen Runde recht zügig ein gemeinsamer „Dienstplan“ erstellt. Dabei wurden Teams gebildet, bei denen sich jeweils ein*e Helfer*in zu einem NABU-Mitglied zusammenfand, um das Umsetzen und auch die Bestimmung der Tiere in der Praxis zu erlernen. Letzteres ist übrigens gar nicht so schwer, da hier nur wenige verschiedene Arten vorkommen. Das Festhalten der jeweiligen Art dient neben der Zählung der Tiere dem Weiterführen der Sammel-Statistik, die bereits seit vielen Jahren von der NABU-Gruppe erhoben wird und in eine landesweite Datenbank einfließt.

Zum Abschluss des gemeinsamen Arbeitseinsatzes wurden die Helferinnen und Helfer von der NABU-Gruppe noch zu einem zweiten Frühstück eingeladen und bei allen Beteiligten machte sich ein gewisser Stolz über die gelungene Aktion breit. Vielen Dank an alle Akteure*innen für dieses tolle Beispiel von Bürgerengagement!

Über die künftige Entwicklung dieses Gemeinschafts-Projektes wird weiter berichtet. Wer sich vorstellen kann, auch langfristig bei der alljährlichen Betreuung des „Krötenzaunes“ mitzuwirken, kann sich gerne noch beim Autor melden. Der Abbau des diesjährigen Zaunes ist übrigens für den 9. April geplant. Naturschutz lebt vom Mitmachen!

Text und Fotos: Lothar Feisel

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