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Ein Amerikaner auf den Spuren seiner Vorfahren in Mellnau

Bereits seit der Mitte des 17. Jahrhunderts wanderten Deutsche nach Amerika aus. Wirtschaftliche Not oder religiöse Freiheiten bewegten viele dazu, ihr Glück auf der anderen Seite des Atlantiks zu suchen. Im 19. Jahrhundert ließen sich viele deutsche Einwanderer im wirtschaftlich aufstrebenden Mittleren Westen der USA nieder. Die Region zwischen Cincinnati, Milwaukee und St. Louis wurde bald als “deutsches Dreieck” oder “deutscher Gürtel” bezeichnet. Marvin Hook aus St. Louis besuchte im September Mellnau, da hier seine Vorfahren – eine Familie Busch – auf dem Hof lebten, der unter dem Dorfnamen “Helfbees” – heute im Eigentum der Familie Dalkowski – bekannt ist. Marvins Vorfahren brachen ihre Zelte in Mellnau ab und siedelten 1848 nach Amerika um. Inwieweit verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Hanna Dalkowski, geb. Busch und Marvin Hook bestehen, konnte im Laufe des Besuchs nicht abschließend geklärt werden.

Von seinem Besuch in Mellnau erzählt Herr Hook selbst: „Ich gehöre zu einer Gruppe, die sich mit der Geschichte ihrer deutschen Vorfahren beschäftigt und sich “Deutsche in St. Louis” nennt. Einer unserer Mitglieder hat sich auf die Organisation von Exkursionen nach Deutschland zu den Orten der deutschen Auswanderer spezialisiert. Er sucht dazu Kontaktpersonen in den Orten der Auswanderer, um Besuche vor Ort planen zu können.

Als ich von den Plänen erfuhr, dass er eine Reise nach Deutschland in die Gegend meiner Vorfahren plante, meldete ich mich sofort an. Endlich hatte ich die Möglichkeit, durch die Straßen von Mellnau zu gehen, wo einst meine Busch-Vorfahren gelebt hatten.

Familie Adam Busch im Jahr 1900
Sitzend Johann Adam und Margarete
v.l.n.r. stehend Katharina Karoline, Anna Maria, Ludwig Wilhelm, Johann Franz und Wilhelm. Der kleine Junge ist Louis Bangert, Großneffe von Adam und Margarete

Zur Vorbereitung lieferte ich dem Organisator zahlreiche Informationen, damit er mögliche Verwandte ausfindig machen konnte. Ich erstellte unter anderem einen Stammbaum mit allen Daten meiner ausgewanderten Vorfahren mit Namen, Geburtstagen und –orten und sogar mit den alten Hausnummern, die in den Taufzeugnissen der Kirche vermerkt waren. So viele Buschs wie möglich wollte ich in meine Zusammenstellung aufnehmen.

Ich selbst lebe in Cedar Hill, Missouri, USA, einem Vorort von St. Louis. Ich lebe nicht in der Stadt, in der einst Johann Ludwig Busch und seine Frau Dorothea (die Auswanderer) lebten. Meine Familie lebte spätestens seit 1929 in St. Louis. Mein Vater heiratete eine Amerikanerin der ersten Generation, Marlyn Ochsenknecht, deren Familie 1890 aus Westpreußen emigriert war. Meine Eltern bekamen drei Kinder. Aufgewachsen bin in St. Louis. Später ging ich nach Jefferson County zurück, wo einst mein Vater und zwei Generationen der Hooks zuvor gelebt hatten.


Johann Adam und Margret Busch, die Urgroßeltern von Marvin Hook im Jahr 1915

Meine Busch-Vorfahren, die Mellnau verlassen hatten, um in Amerika ein neues Leben zu beginnen, waren namentlich mein Ururgroßvater Johann Ludwig Busch (1802-1879) und seine Frau Katharina Dorothea, geb. Wind aus Sterzhausen (1835-1888) sowie ihre Kinder Heinrich (1831-1849), Katharina (1835-1873), Wilhelm (1839-1876), Maria (1841-1894), Johannes (1844-1908) und Johann Adam (1846-1930). Bereits vor der Emigration waren zwei weitere Kinder, Anna Sabina (1833-1842) und Elisabetha (1837-1838) verstorben.  Die Familie emigrierte 1848 von Bremen an Bord der “Uhland” und erreichte New Orleans, Louisiana am 28. Juni 1848. 13 Monate nach der Ankunft starb Heinrich an Cholera. Laut den Volkszählungen von 1850, 1860 und 1870 verdingte sich die Familie als Bauern. Alle Jungen arbeiteten während dieser Jahre auf dem elterlichen Hof mit.

In den folgenden Jahren gründeten sie eigene Familien.

Katharina heiratete William Bangert 1864. Sie hatten fünf Kinder. Laut der Volkszählung von 1870 arbeitete William bei der Eisenbahn. In 1873 starb Katharina.

Wilhelm heiratete Charlotte Schneider 1874. Er starb 1876 mit nur 37 Jahren. Ich fand keinerlei Hinweise auf Kinder.

Maria heiratete Benjamin F. Moorhous in 1868 und hatte mit ihm drei Kinder. Laut der Volkszählung von 1870 arbeitete er als Bauer, später als Formenbauer. Maria starb 1894.

Johannes heiratete Louise Maria Bohne 1873 und hatte mit ihr 10 Kinder. Er war zeitlebens Bauer und starb 1908.

Katharina Dorothea Busch, geb. Wind die Auswandererin in den späten 1860ern

Johann Adam Busch war mein Urgroßvater. Adam heiratete Margarete Naes 1878 und hatte mit ihr fünf Kinder. Adam war evangelisch und Margaret katholisch. Gemäß der Familiensitte machten sie die weitere konfessionelle Prägung ihrer Familie vom Geschlecht ihres erstgeborenen Kindes abhängig. War es ein Junge, dann wäre die Familie fortan evangelisch. Im Falle eines Mädchens dann katholisch.  Das erste Kind war ein Junge. Laut den Volkszählungen war Adam ebenfalls Bauer, ab 1920 im Ruhestand. Er starb 1930.

Mein Flug nach Deutschland ging zunächst von St. Louis nach Washington und von dort aus weiter nach Frankfurt am Main. Der Flug dauerte lange und an Schlaf war aufgrund der Lautstärke der Maschinen und meiner Aufregung nicht zu denken. In Frankfurt war eine Übernachtung geplant. Hier traf ich auch den Reiseleiter meinerDeutschland Tour – der ersten Fernreise meines Lebens überhaupt!

Am nächsten Tag fuhr meine Reisegruppe (zwei Reiseleiter und 13 Gäste) mit dem Bus nach Eisenach, das unser Quartier für die nächsten 10 Tage werden sollte. Als Lutheraner war mir Eisenach natürlich ein Begriff.

Während des Aufenthalts waren zwei Tage zum Besuch in den Orten der Vorfahren vorgesehen. Ich erfuhr, dass die Dörfer meiner Vorfahren nicht direkt an einer Bahnlinie lagen. Ich schloss daraus, dass sie ziemlich klein sein mussten.

Wir verließen Eisenach um 8h gen Westen. Eine Panne unterwegs war ursächlich für einen unfreiwilligen Werkstattaufenthalt und wir erreichten Mellnau zwei Stunden später, als geplant.

Das alte Fachwerkhaus von Familie Dalkowski

In Mellnau angekommen, fanden wir schnell die Heppenbergestraße, wo ich meine Busch-Verwandten zu finden hoffte. Das alte Fachwerkhaus war längst abgerissen und einem Neubau gewichen, was eine kleine Enttäuschung für mich war. Wir trafen die Großmutter des Hauses, Hanna. Sie ist eine geborene Busch und lebt hier mit ihren Kindern, Schwiegertochter und Enkeln. Die genauen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen mir und Hanna und ihren Kindern konnten nicht abschließend geklärt werden. Sie wusste zu berichten, dass meine Vorfahren den Hof an ihre Vorfahren verkauft hätten, um die Auswanderung nach Amerika zu finanzieren. Alle Dalkowskis waren sehr nett und überaus gastfreundlich.

Tristan, der Enkel von Hanna, war unser Reiseführer in Mellnau. Er besuchte mit uns die das ganze Dorf beherrschende Burg, die Kirche und den Friedhof. Als Erinnerung an meinen Besuch in Mellnau bekam ich eine Tasche und eine Tasse mit dem Bild der Burg Mellnau geschenkt. Der Besuch in Mellnau war das Highlight meiner Deutschlandreise.“

Marvin Hook

Übersetzt und bearbeitet von Sven D. Jerschow

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