Die Kirche und das liebe Geld

Am 16. Oktober 2019 lud die Kirchengemeinde zu einer Infoveranstaltung der etwas anderen Art in die Schulscheune ein. Es ging ums Geld.

Rückblick: ein paar Monate zuvor, am 17. Mai, diskutierte der Kirchenvorstand mit der Ortsgemeinde darüber, was getan werden könnte, um den Besuch der Kirche bzw. das Engagement für die Kirchengemeinde attraktiver zu gestalten. Im Kuckuck 3/2019 berichteten wir bereits ausführlich. Damals kam auch schon die Frage auf, ob die Kirchensteuer noch in einem angemessenen Verhältnis zu den Leistungen steht, die die Kirche erbringen kann. Bei dem Treffen im Mai hätten diese Themen den Rahmen gesprengt – und so kam es zur Veranstaltung am 16. Oktober.

Um der Gemeinde Rede und Antwort zu stehen, hatte die Evangelische Landeskirche von Kurhessen-Waldeck (kurz: EKKW) Pfarrer Pothmann nach Mellnau gesandt. Bereits in der Vorstellungsrunde kamen aus den Reihen der zahlreich anwesenden Mellnauer ein gutes Dutzend Fragen zusammen, die Herr Pothmann notierte und im Laufe des Abends geduldig abarbeitete.

Wieviel Geld hat die EKKW?

Im Jahr 2020 plant die EKKW mit einem Haushalt von 273,6 Millionen Euro, wobei aber lediglich 95,2 Millionen auf den gemeindlichen Teil entfallen. Der Rest bleibt bei der Landeskirche. Aus diesem Teil werden der Pfarrdienst, Religionsunterricht, Pensionen und die Verwaltung bezahlt sowie die Kirchengebäude restauriert und auch die Evangelische Kirche von Deutschland mitfinanziert. Trotz dieser gewaltigen Summen zeichnet sich jedoch ab, dass die Gesamtkirchensteuereinnahmen nicht ausreichen, um die laufenden Kosten zu decken. Ganz aktuell kommentierte am 27. November 2019 der EKKW-Vizepräsident Dr. Knöppel in einer Pressemitteilung den Haushalt mit den Worten: “ Wir leben in den beiden kommenden Haushaltsjahren insofern über unsere Verhältnisse.“

Woher kommen die Einnahmen?

Die EKKW hat ca. 800.000 Mitglieder, von denen ca. 35% Kirchensteuer zahlen. Die Nichtzahler sind Kinder oder Rentner bzw. ganz allgemein Menschen, deren Einkommen unterhalb der Steuerfreigrenze liegt. Diejenigen, die zahlen, zahlen eine Steuer auf Lohn- und Gehalt oder auf Kapitalerträge.

Neben dem Geld der Mitglieder erhält die Kirche auch Geld vom Staat – also vom Steuerzahler. Diese Zahlung geht auf den Reichsdeputationshauptschluss aus dem Jahr 1803 zurück. Das letzte bedeutende Gesetz des Heiligen Römischen Reiches geht auf Kaiser Napoleon zurück und besagte, dass diverse Kurfürstentümer, Reichsbistümer, Reichsabteien und Reichsstädte neue Landesherren erhielten. Den „Schaden“, den die Kirche damals erlitt, kompensiert die Bundesrepublik Deutschland in Form von Steuermitteln noch heute – unabhängig davon, ob sich der Steuerzahler als evangelischer Christ sieht oder nicht. Der Anteil dieser Bezuschussung am Kirchenbudget lag 2013 bei ca. 12%. Durchaus selbstkritisch ließ Pfarrer Pothmann an dieser Stelle durchblicken, dass den Kirchenoberen bewusst ist, dass diese Zahlungen nicht mehr ewig halten werden. Die Frage nach der Legitimation einer solchen Zuwendung ist auch in Kassel schon angekommen.

Kirchensteuer von der Steuer absetzbar

In Hessen beträgt die Kirchensteuer 9% der eigenen Einkommsteuer. Für einen Steuerklasse 1 Single mit einem Bruttoeinkommen von 3.000 Euro bedeutet das, dass er jeden Monat ca. 38€ Kirchensteuer zahlt. Die Mitgliedschaft kostet also pro Jahr über 450€. Ziemlich viel, zumindest dann, wenn man statistisch gesehen nur einmal im Jahr an Weihnachten in die Kirche geht. Und schlimmer noch: erhöht sich das Gehalt oder gibt es am Jahresende einen Bonus, verdient die Kirche außerdem mit. Kein Wunder, dass die Zahl der Kirchenaustritte steigt.

Hier gilt es, ein Missverständnis aufzuklären. Denn: die Beiträge für die Kircheneinkommensteuer und die Kirchenlohnsteuer sind vollständig von der Steuer absetzbar. D.h., jeder Euro, der hier gezahlt wird, kann im nächsten Jahr von der Steuer abgezogen werden. Lediglich die Kirchensteuer auf Kapitalerträge ist nicht komplett absetzbar, was z.B. bei Abfindungszahlungen, Gewinnbeteiligungen oder Aktiendepots relevant ist.

Die evangelisch-freikirchlichen Gemeinden dürften übrigens auch Kirchensteuer erheben, verzichten aber darauf. Muslimische Religionsgemeinschaften sind in Deutschland keine anerkannten Körperschaften und dürfen daher noch keine Kirchensteuer verlangen. Buddhisten, Adventisten, Baptisten und Methodisten müssen ebenfalls keine Kirchensteuer zahlen.

Quelle: Bericht zur Kirchensynode der EKKW, 2018

Freiwilliges Kirchengeld unausweichlich

Fakt ist, dass die Landeskirche mehr Geld braucht. Und Fakt ist auch: die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge gehen in Kürze allesamt in die Rente. Mit der fatalen Konsequenz, dass viele von ihnen als Beitragszahler ausfallen werden. Alle Kirchengemeinden werden daher über kurz oder lang mit der Frage konfrontiert, woher das Geld für die gemeindlichen Aktivitäten kommen soll.

Eine Lösung hierfür könnte das freiwillige Kirchengeld sein. Dabei handelt es sich um eine Art jährlichen Spendenaufruf, bei dem für bestimmte Projekte oder die Gemeinde ganz allgemein gespendet werden kann. Dieses Kirchengeld hätte aus Sicht der Mitglieder den Vorteil, dass auch das von der Steuer absetzbar ist. Denn: während der Euro in der sonntäglichen Kollekte einfach weg ist, kann eine überwiesene bzw. quittierte Spende an die Kirche voll geltend gemacht werden. Und auch aus Sicht der Kirche hat dieses Vorgehen einen gewissen Charme: wenn lediglich im Gottesdienst darauf hingewiesen wird, welches Projekt mit der heutigen Kollekte gefördert wird, erfahren lediglich die Besucher im Gottesdienst, womit sich die Gemeinde gerade beschäftigt. Gibt es jedoch eine Jahresübersicht, kann jeder sich vorab überlegen, was man persönlich unterstützen will.

Die intensive Veranstaltung dauerte bis 22:15 Uhr und brachte dabei viel Klarheit und konstruktive Impulse. Eine öffentliche Veranstaltung zum Haushalt unserer Kirchengemeinde wie auch die Frage rund um das Kirchengeld sind absehbare Diskussionen, die insbesondere wegen des demographischen Wandels angegangen werden müssen. An dieser Stelle gebührt Pfarrer Pothmann noch ein Kompliment: trotz der Trockenheit der Materie verstand er es, gut nachvollziehbar und auch unterhaltsam die komplexen Zusammenhänge zu verdeutlichen, in denen sich eine so große Organisation wie die EKKW bewegt. Herzlichen Dank auch an den Kirchenvorstand und unsere Pfarrerin Wilma Ruppert-Golin, die die Impulse im Mai aufgegriffen und in dieser Form nutzbar gemacht haben.

Text: Andreas W. Ditze

Update 23.12.2019: Tippfehler korrigiert

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